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Berliner Öfen, 2020, 14a Hambug

Small tiled stoves modeled after examples from Berlin flats with an electrical heating function (45°C).

Installation view

Lea, Glazed ceramic, electrical wiring and heating film, 54 × 15 × 13 cm, 2020

Shira, Glazed ceramic, electrical wiring and heating film, 32 × 23 × 9 cm, 2020

11 Minutes, Inkjet print, tape and felt tip pen on cardboard, 33 × 22 × 12 cm, 2020

Astrid, Glazed ceramic, electrical wiring and heating film, 54 × 15 × 13 cm, 2020

Tanja, Glazed ceramic, electrical wiring and heating film, 61 × 22 × 15 cm, 2020

Marlene, Glazed ceramic, electrical wiring and heating film, 32 × 21 × 8 cm, 2020

Berliner Öfen

Niclas Riepshoffs wärmende Berliner Öfen erinnern an traditionelle Kachelöfen, die die Betrachter*in zurück in eine andere Zeit versetzen. Klobig und elegant zugleich, sind die mit Kohle beheizten Öfen fein gearbeitete Embleme kultureller Identität. Über den Keramikmantel gibt der Ofen seine gespeicherte Wärme über viele Stunden ab und wird so zum Zentrum des Hauses. Im Zuge der Energiewende wurden viele der klassischen Kachelöfen stillgelegt da sie nicht mehr den zulässigen Grenzwerten entsprachen. Heute sind diese nostalgischen Umweltverschmutzer ihrer ursprünglichen Funktion zumeist entledigt. Auf dem heiß umworbenen Berliner Immobilienmarkt werden sie zu paradoxen Einbauten: Als erkaltete Schmuckstücke befeuern sie die Projektion bürgerlicher Lebensformen und tragen somit indirekt zu in die Höhe schießenden Mieten bei. Als noch aktive Kohle-Heizkörper stehen sie im Gegenzug für die wenigen noch günstigen Wohnungen, deren Mieter*innen jetzt durch Luxussanierungen von Verdrängung bedroht sind.

Anders als die originalen Kachelöfen, verstärken Niclas Riepshoffs Öfen in ihrer Verkleinerung deren Status als begehrenswerte Objekte. Teils stehen sie alleine, andere sind gruppiert, ähnlich einer Familienaufstellung. Nähert man sich den verkabelten Objekten, wird die elektrisch erzeugte Hitze spürbar, die von ihnen abstrahlt. Im Konstrukt der heterosexuellen Kleinfamilie repräsentiert der Ofen Zuschreibungen an Weiblichkeit und Mütterlichkeit. Benannt nach engen Freund*innen Riepshoffs, verweisen die modellhaften Keramiken jedoch eher auf spezifische Wohnungen oder die Nähe und Wärme einer Chosen Family. In gewisser Weise sind die bürgerliche Definition der Kernfamilie ebenso wie die Kachelöfen zu Relikten vergangener Zeiten geworden, die jedoch mitunter sentimentale Neuauflagen erfahren. Riepshoff selbst hat keine Kinder und steht dem Thema Vaterschaft eher ambivalent gegenüber. Gleichgeschlechtlichen Paaren ist eine Familiengründung nach dem Modell der biologischen Kernfamilie heute durchaus möglich, allerdings bringt eine solche Entscheidung bis heute logistische, rechtliche und finanzielle Hürden mit sich. Neben Adoption und Pflegeunterbringung versprechen unterschiedlichste Fortpflanzungstechnologien den Kinderwunsch zu erfüllen. In der Arbeit In Vitro (2020) zeigt Riepshoff den Moment der künstlichen Befruchtung, indem er das Design der klassischen Wilhelm Wagenfeld Lampe als Stahlkanüle interpretiert, die in die Glaskörper-Eizelle eindringt und LED-Sperma injiziert. Die von Riepshoff gewählten Materialien wie Glas und Keramik als traditionelle Werkstoffe, die unter der Einwirkung von Hitze in Form gebracht werden, stehen dabei in enger Verbindung zu den Themen von Elternschaft, Häuslichkeit, Fortpflanzung und Kindheit, in deren Kontext die Arbeiten das Verhältnis der künstlerischen Produktion zur künstlichen Reproduktion befragen.