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Bin Durstig, 2017

Canvas shoes turning into plant-like "bodies" with messages.

Bin durstig, fabric, metal construction, hemp fibers, wire, plastic cup, acrylic paint, metal balls, papier maché, foam rubber, 5 x 6 x 3 m

Needle from cast aluminum

Installation view, Harburger Kunstverein, 2019

Hunger & Durst
Jens Astorff

Das flächig ausgreifende, teils comichaft figürlich stilisierte Skulpturen-Ensemble von Niclas Riepshoff scheint von einem substanziellen Sehnsuchtsmoment getrieben: Bin durstig (2017) verrät der Titel, und die beiden Hauptakteure, zwei seltsame Pflanzen auf großem Fuß (eine dritte steht etwas abseits), haben Sprechblasen mit passenden Kernbotschaften dabei: Der einen entwächst, als sei’s eine Blüte, ein leuchtend gelbes Pappschild mit „Habe Hunger“. Der anderen klebt ein ähnliches, leicht angefleddertes mit „Habe Durst“ unterm Schuh. Zwischen diesen Koordinaten, da jagt eins das andere, scheint ewig-existenzielle Bewegung im Gang, die hier auch komische Seiten hat. Wie da zwei lange, dünn auslaufende Blumenstielbeine, körperlos und üppig beschuht, in raschem Trab doch eingefroren stillstehen, das ist für sich schon ein skurriler Plot. Aus solchen Twists und Mehrdeutigkeiten entfaltet Riepshoff dann bis ins Detail und über Gattungsgrenzen hinweg eine amüsante, spielfreudige Dramaturgie. Dass er die Riesen-Sneaker à la Converse mitten in der Laufbewegung zeigt, sie in skulpturaler Hinsicht aber eher veritablen Sockeln gleichen, ist so ein Twist. Dass die Figuren, die aus weißem Polsterstoff vernäht und auf Bahnen gleichen Materials platziert sind, eine materielle Monochromie darstellen und so auf unberührte Leinwand anspielen, also Malerei thematisieren, wäre ein weiterer. Von einem anderen Malereithema spricht die Draperie des Faltenwurfs, die der plastisch gefasste Laufschritt im Stoff hinterlässt.

Das Bodenstück, hier Bühne und Leinwand zugleich, dient auch als Spielfeld bilderweiternder Nebenhandlungen, wenn etwa kleine Objekte oder ein Fetzchen rotkarierter Stoff malerisch wie Farbtupfer auf die „Leinwand“ gesetzt sind. Am Rand platziert Riepshoff ein kleines Knäuel aus Sofafüllstoff (Material, mit dem auch die großen Skulpturen gefüttert sind), handgezupft und in Gestalt eines Hirns: Ein putziger Bewusstseinsträger, der da in drei Buchstaben ausläuft, I, C und H. Am Ende also jedermanns Selbstporträt?